"Wenn wir nicht aufpassen, ist Frieden vergänglich" - Rückblick auf den Volkstrauertag

Die zentrale Gedenkfeier der Stadt Geseke anlässlich des Volkstrauertages fand am Sonntag in Langeneicke statt. In seiner Predigt während des einleitenden Gottesdienstes stellte Monsignore Wilfried Schulte die besondere Bedeutung des Volkstrauertages gerade in der aktuellen Zeit dar. "Es ist Krisenzeit", mahnte Monsignore Schulte und bezog sich mit dieser Aussage nicht nur auf den Krieg in der Ukraine, sondern auch auf die weltweite Klimakrise oder die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche.

Am Ehrenmal begrüßte dann der Oberst der ausrichtenden Kameradschaft ehemaliger Soldaten Langeneicke-Ermsinghausen, Dirk Kahr, die Anwesenden. Kahr blickte auf die Geschichte des Volkstrauertages zurück. Zunächst als Gedenktag für die Toten des Ersten Weltkrieges ins Leben gerufen, wurde der Tag später unter den Nazis als Heldengedenktag glorifiziert. Heute dient der Volkstrauertag dazu, allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft zu gedenken. "Denn", so machte Kahr deutlich, "es gibt seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, also seit 77 Jahren, keinen Tag ohne Krieg und Terror auf der Welt." Seit Februar sei der Krieg nun keine drei Flugstunden von uns entfernt angekommen. "Wenn wir nicht aufpassen, ist Frieden vergänglich. Frieden kommt nicht von allein, Frieden ist harte Arbeit", so Kahr.

Anschließend übergab Kahr das Wort an Bürgermeister Dr. Remco van der Velden. In seiner Rede erklärte van der Velden, dass der Volkstrauertag uns Deutsche nunmehr seit 100 Jahren begleitet. So fand nämlich am 5. März 1922 die erste Gedenkstunde dieser Art im Reichstag statt, nachdem der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge den Volkstrauertag im Jahre 1919 vorgeschlagen hatte. Es sei richtig und wichtig, appellierte van der Velden, Gedenktage für jene abzuhalten, die durch Terror, Krieg und Gewalt zu Schaden gekommen seien. "Viele Reden am diesjährigen Volkstrauertag werden sich mit den aktuellen Geschehnissen in der Ukraine beschäftigen", so van der Velden. "Wir alle wollen Frieden und ein Ende des Leidens." Das Stadtoberhaupt stellte das aktuelle Geschehen im Rahmen seiner Rede dann in eine historische Perspektive. So war es 1938 das Münchener Abkommen, das Deutschland, um einen Krieg zu verhindern, das Sudetenland zusprach und dann "unrühmlicher Höhepunkt" der Appeasement- und Beschwichtigungspolitik wurde. Viele Experten verglichen das damalige Abkommen mit dem Protokoll und den Abkommen von Minsk aus den Jahren 2014 und 2015. Diese sollten den Konflikt in der Ukraine nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der Ostukraine beruhigen. "Die Beschwichtigung einer Macht mit aggressiver Außenpolitik – Deutschland 1938 und Russland 2015 – diente in beiden Fällen dazu, einem Land, das für einen Krieg nicht vorbereitet war, Zeit zu verschaffen", so der Bürgermeister. "So beschleunigte England ab 1938 seine Kriegsvorbereitung erheblich und bereitete die `Luftschlacht um England` von 1940 vor", blickte van der Velden zurück. Ähnlich sei es nun mit den Abkommen von Minsk. "Seit 2015 war der Ukraine und vielen anderen Ländern klar, dass ein weiterer Angriff Russlands zumindest nicht unwahrscheinlich war. Die Ukraine nutzte die Zeit und entwickelte ihre Streitkräfte mit großer Unterstützung aus dem Ausland weg von der Tradition der Roten Armee hin zu westlichen Vorbildern. Ohne diese großen Armeereformen und das neue Material – sowohl aus westlichen Ländern, aber auch selbst entwickelt – wäre die Ukraine im Februar vermutlich überrannt worden, so wie die Krim, Luhansk und Donezk seinerzeit", vermutete van der Velden. Auch Deutschland habe damals in Minsk am Verhandlungstisch gesessen und nach Kriegsbeginn Anfang 2022 zunächst sehr zurückhaltend agiert. Aufgrund der eigenen Historie sei "die Gesellschaft in Deutschland strukturell pazifistisch", so das Stadtoberhaupt. "Aber, nur mit dem Wunsch nach Frieden, ist Frieden nicht zu erreichen", mahnte van der Velden. "Der nun erneut angestoßene Diskurs in Deutschland in Bezug auf militärische Gewalt oder Ausstattung der Bundeswehr ist wichtig für unser Land aber auch für den gesamten Kontinent", so das Stadtoberhaupt.

Zum Abschluss dankte van der Velden den zahlreichen Fahnenabordnungen für den würdigen Rahmen der Gedenkfeier sowie der Kameradschaft ehemaliger Soldaten Langeneicke-Ermsinghausen für die Ausrichtung des Volkstrauertages.