Erste Stolpersteine in Gedenken an Familie Kronenberg verlegt

Vor ziemlich genau 80 Jahren – am 29. Juli 1942 – wurden mit Ferdinand und Ida Kronenberg die letzten beiden jüdischen Mitbürger aus Geseke deportiert und zwei Jahre später dann im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau durch die Nazis ermordet. Damit ihre Schicksale niemals vergessen werden, wurden nun vor dem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus der Familie am Hellweg 16-18 Stolpersteine verlegt.

Rund 100 Personen nahmen an der Verlegung teil, darunter auch einige Nachfahren der Familie Kronenberg, die eigens aus Amerika, Kanada und England angereist waren.

Bei der ersten Stolperstein-Verlegung in Geseke wurden jedoch nicht nur Steine für Ferdinand und Ida Kronenberg verlegt. Auch ihre drei Söhne Werner, Norbert und Gerhard, die damals noch rechtzeitig vor den Nazis hatten fliehen können, wurden von Künstler Gunter Demnig, der Mitte der 1990er Jahre das Projekt "Stolpersteine" ins Leben gerufen hatte, mit jeweils einem Stein bedacht. In knapp 1.300 Städten und Gemeinden, in 21 Ländern, hat Demnig bereits Stolpersteine verlegt und hält somit die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst als Freunde und Nachbarn mitten unter uns wohnten, bevor sie von den Nazis verfolgt und ermordet wurden.

In seiner Ansprache während der Stolperstein-Verlegung blickte Gesekes Bürgermeister Dr. Remco van der Velden auf die Zeit des Nationalsozialismus zurück. "Schon vor Hitlers Wahl im Jahr 1933 begann die Diskussion, wie `so jemand` überhaupt Reichskanzler werden kann. Man war sich sicher, dass er sich nicht lange würde halten können. Seither beschäftigt uns die Frage, wie eine Kulturnation zu Krieg, Verfolgung und Völkermord in unvorstellbarem Ausmaß fähig sein konnte", so das Stadtoberhaupt. So sei die Geschichte des Dritten Reiches in den vergangenen Jahrzehnten durch Personen wie Joachim C. Fest, Sebastian Hafner und Ian Kershaw sowie zahlreiche Dokumentationen und Verfilmungen zwar in der großen Perspektive für ein breites Publikum umfangreich aufgearbeitet worden, für lokale Geschehnisse, wie eben auch in Geseke, sei eine Aufarbeitung jedoch nicht oder nur bedingt erfolgt.

Alexander Arens, 2. Vorsitzender des Vereins für Heimatkunde Geseke, schilderte vor allem persönliche Erinnerungen. Während seiner Jugend in den 1960er und 70er Jahren wurde ein Bild vermittelt, in Geseke sei "alles nicht so schlimm gewesen". Dagegen standen die Fotos mit Hakenkreuzfahnen und einzelne Eindrücke, die der Vater aus seinen Jugendjahren vermittelte. Man hat "es" gewusst! Arens erfuhr mit der Zeit auch von (früher) überzeugten Nazis und von Menschen, die Bedrängten geholfen haben. Nur wenige seien allerdings zu Verbrechern oder zu Helden geboren. Die Masse habe sich arrangiert, wie es auch wohl heute die meisten tun würden, mutmaßte er. Darum sei es wichtig, gerade das Handeln dieser Menschen in den Fokus zu rücken. Die Stolpersteine sollten keine Anklage sein, sondern Anlass geben, das eigene Denken und Handeln ständig zu hinterfragen, damit Ereignisse, wie die Verfolgung und Ermordung der jüdischen Mitbürger nie wieder geschehen.

Bewegende Worte richtete auch Wulfred Kronenberg, Enkel von Ferdinand und Ida Kronenberg, an die Anwesenden. So mache es ihn und seine Familie sehr glücklich, dass nun endlich Stolpersteine für seine Vorfahren verlegt wurden. Kronenberg ging zudem darauf ein, dass seine Vorfahren bereits seit 1753 in Geseke gelebt haben und fester Bestandteil der Bevölkerung waren bevor durch die Nazis zunächst Enteignung, dann Deportation und schließlich Ermordung folgten. Neben Aussagen des Friedensnobelpreisträgers Nelson Mandela zitierte Wulfred Kronenberg auch den Lippstädter Theologen Martin Niemöller, der einst sagte: "Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."

Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Antonianum sowie der Sekundarschule Geseke trugen mit ihren Beiträgen ebenfalls zur Stolperstein-Verlegung bei und machten dabei deutlich, dass sich Ereignisse, wie sie sich zwischen 1933 und 1945 in Deutschland ereignet haben, nie mehr wiederholen dürfen. Im ehemaligen Geschäftshaus der Familie Kronenberg, in dem sich das "Kulturfenster am Hellweg" befindet, hatte zudem die Geseker Kulturpreisträgerin und Künstlerin Gabriele Wilpers gemeinsam mit ihrem Mann Herbert Galle eine Ausstellung zur Geschichte der Familie Kronenberg initiiert. Wilpers und Galle griffen dabei viele Dokumente und Bilder auf, die der Arbeitskreis "Jüdische Familien in Geseke" um Reinhard Marx in den vergangenen Jahrzehnten zusammengetragen hat. Aber auch Original-Exponate, wie ein Medaillon und ein Kompass, die einst Ferdinand und Ida Kronenberg gehörten, waren im Rahmen der Ausstellung zu sehen.

Zum Abschluss der Zeremonie legte Bürgermeister Remco van der Velden gemeinsam mit den Nachkommen der Familie Kronenberg fünf weiße Rosen neben den Stolpersteinen für Ferdinand, Ida, Werner, Norbert und Gerhard Kronenberg nieder.